Persönlichkeitsstörungen
Was ist charakteristisch für Persönlichkeitsstörungen?
Quelle: Dr. med. Oliver Somburg, Chefarzt Diakonie Kliniken Zschadraß
Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung haben typischerweise unflexible Reaktionsweisen und ein überdauerndes starres Verhaltensmuster. Ihre Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle und ihr Erleben weicht oft merklich von der durchschnittlichen Soll-, Kann-, Darf-Norm soziokultureller Erwartungen der Umgebung ab. Die zwischenmenschliche Beziehungsgestaltung ist oft konflikthaft und nur bedingt umstellungs- und anpassungsfähig. In den Polen der Betroffenheit sind sie entweder emotional extrem (z.B. instabil oder impulsiv, passiv aggressiv), zwischenmenschlich unbalanciert (narzisstisch, histrionisch, abhängig, dissozial), intrapsychisch konflikthaft (zwanghaft, negativistisch) oder strukturell defizitär (schizoid, Borderline, paranoid). Probleme treten vor allem in der Partnerschaft, in der Familie und im Beruf auf. Die Betroffenen leiden selbst unter sich und andere unter ihnen. Persönlichkeitsstörungen können mit kombinierten Anteilen auftreten.
Wann treten Persönlichkeitsstörungen auf und was sind Auslöser?
Persönlichkeitsstörungen haben häufig eine innere Veranlagung und können lebensbiografisch bereits in der Jugend und im frühen Erwachsenalter innerhalb der Beziehungswirklichkeit auffallen. Durch ungünstige lebensbiografische Erfahrungen verfestigen sich häufig diese besonderen Persönlichkeitsmerkmale, treten akzentuiert hervor oder entwickeln Störungscharakter. Häufig begünstigen Persönlichkeitsstörungen risikoreiches, selbstdestruktives und strafbares Verhalten und führen nicht selten zu weiteren, komorbiden psychischen Störungen, wie Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen und Essstörungen.
Wie werden Persönlichkeitsstörungen behandelt?
Die Stabilisierung und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen erfolgen in erster Linie mittels psychotherapeutischer Verfahren wie z. B. Tiefenpsychologie oder kognitive Verhaltenstherapie, systemische Psychotherapie oder humanistische Psychotherapie. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen profitieren von einem stabilen Hilfesystem mit wertschätzenden, bedingungslos akzeptierenden und echten Grundhaltungen der Ärzte, Therapeuten und Mitarbeiter.
Abhängige Persönlichkeitsstörung
Bei Menschen mit einer abhängigen Persönlichkeitsstörung stehen Passivität, Mangel anSelbstvertrauen, Selbstbewusstsein und Entscheidungsfähigkeit bis hin zur Selbstaufgabe im Vordergrund. Sie verhalten sich in Bezug auf eigene Kompetenzen selbstdestruktiv und
sind dadurch übermäßig abhängig von anderen Menschen. Sie klammern sich unreif annahestehende Menschen und verlassen sich auf deren Entscheidungen, vermeidenEigeninitiative und Verantwortung. Trennungsängste und Ängste vor dem Verlassenwerden sind häufig. Komorbide
Störungen sind häufig Depressionen und Angststörungen.
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung können Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle schwer angemessen und situationsadäquat regulieren. Sie reagieren häufig impulsiv und instabil. Sie haben häufig „Schwarz-weiß-Denken“ oder das „Alles-oder-nichts-Prinzip“ und können das „sowohl-als-auch“ schwer umsetzen. Sie leiden oft unter der Unfähigkeit, Beziehungen zu anderen Menschen gegenseitig befriedigend zu gestalten, sie haben Schwierigkeiten, Nähe und Distanz angemessen zu regulieren. Die Angst vor dem Verlassenwerden ist ausgeprägt vorhanden sowie extreme Stimmungs- und Gefühlsschwankungen. Große innere Anspannung, die als unerträglich empfundenwird, führt bis zu Selbstverletzungen und / oder Drogenkonsum. Auch risikoreiche Aktivitäten sind häufig um übermäßige Anspannung und Emotionen abzureagieren. Die Betroffenen leiden zudem oft unter massiven Ängsten vor dem Alleinsein und instabilenBeziehungen. Veranlagung, frühe zwischenmenschlich traumatische Erfahrungen (wiederholte Gewalt, Verlusterleben, Bindungstraumatisierungen) begünstigen die Entstehung der Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Histrionische Persönlichkeitsstörung
Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung neigen zu übertrieben selbstbezogenem, dramatischem und theatralischem Verhalten durch ein enormes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Lob. Manipulative Umgangsweisen sind häufig um das zu bekommen, was sie von anderen wollen. Menschen mit einer histrionischen Persönlichkeitsstörung erleben selbst häufig eine innere Leere und wirken auf andere nicht selten oberflächlich. Flüchtige Bekanntschaften und Beachtung durch andere werden vielfältig gesucht und stabilisieren kurzzeitig. Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Menschen mit einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung haben ein stark selbstbezogenes Verhalten, wollen bewundert werden und im Mittelpunkt stehen. Sie idealisieren sich selbst und ihr Tun, glauben einzigartig und besonders zu sein und erwarten daher, auch eine solche Behandlung von anderen. Nicht selten nutzen sie andere Menschen für ihre Zwecke aus. Es fehlt ihnen häufig an Einfühlungsvermögen, siesind selbst rasch kränkbar und reagieren auf Zurückweisung überempfindlich, nicht selten wird Minderwertigkeitserleben verdeckt. Menschen mit einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung haben häufig wenigStörungsbewusstsein. Die psychotherapeutische Behandlung kommt meist erst insuizidalen Krisen und / oder durch das Drängen der Angehörigen zustande. Komorbidepsychische Störungen wie z. B. Angststörungen, Depressionen oder Suchterkrankungen sind häufig.
Schizoide Persönlichkeitsstörung
Menschen mit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung brauchen kaum zwischenmenschliche Kontakte. Sie wirken häufig distanziert, abweisend und fallen durch ihr manchmal eigenweltliches Verhalten auf. Sie neigen dazu, Geschehnisse mit selbstbezogenen Bedeutungen zu versehen. Sie entwickeln teilweise „magisches Denken“, oder vertreten hellseherische Fähigkeiten. Insgesamt fallen Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung häufig durch ihre Sprach- und Denkweise auf, die eher abstrakt oder auch umständlich wirkt. Ihr äußeres Erscheinungsbild wirkt meist vernachlässigt oder ungepflegt. Sie sind oft misstrauisch oder leiden unter abnormem Beziehungs- und Bedeutungserleben. Im sozialen Miteinander wirken sie unbeholfen – vor allem, wenn fremde Personen anwesend sind. Durch ihre Persönlichkeitsstörung bedingt, empfinden sie sich selbst häufig als „anders“, als nicht zugehörig. Sie genügen oft sich selbst.
Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung
Betroffene fühlen sich häufig unattraktiv und minderwertig. Zwischenmenschlich sind sie gehemmt, schüchtern und schnell im Selbstzweifel. Dadurch sind sie häufig angespannt und bleiben distanziert. Sie vermeiden soziale Kontakte aus Angst vor Kritik oder Zurückweisung und isolieren sich häufig.
Vermeintlichen Unzulänglichkeiten und Schwächen werden häufig mit Leistungsbewusstsein und Aufopferungsbereitschaft kompensiert, um ‚gesehen und anerkannt‘ zu werden. Zurückhaltung und Verlässlichkeit sind das, was andere Menschen als positive Merkmale schätzen.
Kombinationen mit anderen Persönlichkeitsstörungen sind häufig.
Zwanghafte Persönlichkeitsstörung
Menschen mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung sind intrapsychisch konflikthaft. Sie haben das dringende Bedürfnis, alles regulieren, strukturieren und kontrollieren zu müssen. Rigide Ordnungen über Regeln, Abläufe oder Zeitpläne sind typisch. Angst und Anspannung Fehler zu machen, in Gedanken ständig zu erwägen und abzuwägen, hemmen die Fähigkeit sich zu entscheiden. Übermäßige Kontrollen, Korrektheit und
Detailbesessenheit sowie übertriebener Perfektionismus führen zum Verzetteln und hemmen Handlungsabläufe. Zwischenmenschlich entsteht dadurch nicht seltenUnverständnis und Ärger. Sie können selten Aufgaben an andere delegieren, weil sie die Kontrolle nicht abgeben können. Die zwanghaft gestörten Persönlichkeitsanteile erstrecken sich in ihrer Rigidität und Unflexibilität häufig auf alle Lebensbereiche und führen zu belastender
zwischenmenschlicher Beziehungsgestaltung.Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist nicht mit einer Zwangsstörung zu verwechseln,
die ein eigenständiges Krankheitsbild darstellt und durchaus mit einer intakten Persönlichkeit einhergeht.