Zwangsstörungen
Was versteht man unter einer Zwangsstörung oder Zwangserkrankung?
Quelle: Dr. med. Oliver Somburg, Chefarzt Diakonie Kliniken Zschadraß
Bei einer Zwangsstörung leiden die Betroffenen an, sich aufdrängenden, wiederkehrendenund unerwünschten Gedanken und / oder dem unwiderstehlichen Drang, zwanghaft Handlungen nachkommen zu müssen. Zwangsgedanken verursachen häufig starke innere Anspannung, werden teilweise als sinnentleert, bedrohlich oder tabuisiert erlebt. Sie provozieren das schwer zu beherrschende Verlangen, diese Gedanken oder Handlungen „wieder in Ordnung zu bringen“, sie zu neutralisieren. Dies reduziert, zumindest kurzfristig, einhergehenden Ängste oder Anspannungen. Deshalb ist es den Betroffenen meist nicht- oder nur sehr schwer möglich, auf Zwangshandlungen zu verzichten. Nicht selten werden auch andere, nahestehende Menschen benutzt und zur Neutralisierung einbezogen.
Welche Formen des Zwangs gibt es?
Beispiele sind Kontrollzwang, Zähl-, Reinigungs- oder Waschzwang, z.B. mehrmals kontrollieren zu müssen, ob das Haustürschloss abgeschlossen wurde, ob alle Herdplatten ausgestellt wurden. Nach jeder stattgehabten Kontrolle kommt der Zwangsgedanke jedoch erneut auf und entwickelt seinen Sog, die Handlung zur Neutralisierung wiederholen zu müssen. Diese Tendenz kann sich über Minuten bis Stunden hinziehen, die Betroffenen
sind je nach Betroffenheit gebannt und gefangen im Kreislauf der Zwangsrituale. Der Lebensalltag kann dadurch sehr stark eingeschränkt werden, doch können die Zwangserkrankten – unbehandelt – nicht anders und sich nicht von der Störung lösen. Häufig entsteht eine Zwangsstörung schleichend und über einen längeren Zeitraum. Menschen, die an einer Zwangsstörung leiden, haben ein erhöhtes Risiko an einer
weiteren psychischen Störung, wie z. B. Depressionen, Angststörungen oder Essstörungen zu erkranken. Auch organische Ursachen können Zwangsstörungen hervorrufen.
Wie häufig kommt eine Zwangsstörung vor und wer ist betroffen?
Die Zwangsstörung oder Zwangserkrankung ist die vierthäufigste psychische Störung. In Deutschland sind etwa 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens davon betroffen. Die Erkrankung tritt besonders im Alter von 12 bis 14 Jahren und im Alter von 20 bis 22 Jahren auf, wobei die Zwangserkrankung bei etwa 85% aller Betroffenen noch vor dem 30. Lebensjahr beginnt. Bei einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung hingegen, im Unterschied zu Zwangsstörungen, ist der wesentliche Teil der Persönlichkeitsarchitektur betroffen und zeigt sich nahezu durchgehend in Reaktionsweisen und Verhaltensmustern abweichend von der Durchschnittsnorm.
Wie wird eine Zwangsstörung behandelt?
Eine Zwangsstörung kann durch psychotherapeutische Behandlung (z.B. kognitive Verhaltenstherapie) und / oder mit einer medikamentösen Therapie (Selektive Serotonin- Wiederaufnahmehemmer = SSRI) gebessert werden. Meist ist die Einbeziehung der Angehörigen im Rahmen der Behandlung erforderlich, vor allem, wenn die Zwangsstörung den Alltag und die zwischenmenschliche Beziehungsgestaltung bestimmt und / oder übernommen hat.
Hilfreiche und weiterführende Links:
Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e. V.
Psychiatrienetz
Therapie.de