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Suchtverhalten – Doppeldiagnosen

Was versteht man unter einer Suchterkrankung?

Quelle: Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V.

Eine Suchterkrankung liegt vor, wenn der Konsum einer bestimmten Substanz (z. B. Alkohol, Medikamente, Drogen) oder die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit (z. B. Computerspielen) außer Kontrolle gerät und bei einem Menschen zu einer Abhängigkeit führt. Per Definition spricht man von einem Suchtverhalten oder einer Abhängigkeit dann, wenn mindestens drei der folgenden sechs Sucht-Symptome in den letzten 12 Monaten aufgetreten sind:

Starkes Verlangen, ein bestimmtes Rauschmittel zu konsumieren oder etwas immer wieder zu tun; Kontrollverlust über Menge/Häufigkeit; Zeitpunkt und Dauer des Konsums/der Ausübung einer Tätigkeit; Entzugserscheinungen (sowohl körperlich als auch psychisch); Toleranzentwicklung, d. h. Körper und Geist gewöhnen sich an die Substanz / das Verhalten, weshalb immer mehr davon benötigt wird, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Sozialer Rückzug und zunehmender Verlust an Interessen, während die Substanz / die Tätigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Obwohl dem Betroffenen klar ist, dass seine Abhängigkeit / Sucht schädlich für ihn ist, wird dem Konsum oder der abhängig machenden Tätigkeit weiter nachgegangen.

Welche Formen der Suchterkrankung gibt es?

Man unterscheidet grundlegend zwischen zwei verschiedenen Arten von Abhängigkeiten:

Stoffgebundene Abhängigkeit
Bei der stoffgebundenen Abhängigkeit liegt ein Missbrauch von sogenannten psychoaktiven Substanzen vor. Dazu gehörigen u.a. Tabak, Alkohol, Opioide, Cannabinoide, Sedativa oder Hypnotika, Halluzinogene, und flüchtige Lösungsmittel sowie Kokain und einige weitere Stimulanzien. Landläufig sprechen viele Menschen daher auch von einer Drogenabhängigkeit.

Nicht-stoffgebundene / Stoffungebundene Abhängigkeit
Unter einer nicht-stoffgebundenen Abhängigkeit versteht man die Sucht nach einer bestimmten Verhaltensweise oder einer Tätigkeit. Auch diese Form der Abhängigkeit kann schwerwiegende, vorwiegend psychische Folgen nach sich ziehen. Zu den bekanntesten nicht-stoffgebundenen Süchten zählen beispielsweise die Internetsucht, die Computerspielsucht, die Glücksspielsucht, Sexsucht, Arbeitssucht oder der Kaufzwang.

Manchmal können bei Betroffenen sowohl stoffgebundene als auch nicht-stoffgebundene Süchte gleichzeitig vorkommen.
Wie entsteht eine Abhängigkeit oder Sucht?

Um eine Suchterkrankung entwickeln zu können, bedarf es einer Fehlsteuerung des Belohnungssystems des Gehirns. Als positiv wahrgenommene Dinge (z. B. Essen, Einkaufen, Lob, Anerkennung) führen in unserem Gehirn normalerweise zu einer Ausschüttung von bestimmten Hormonen wie Dopamin, was uns glücklich macht. Psychoaktive Substanzen wie z. B. Heroin, oder auch bestimmte Tätigkeiten wie das Glücksspiel, können den gleichen Effekt (Hormonausschüttung und Euphorie) im Gehirn bewirken. Wird dem Konsum solcher Substanzen oder der glücklich machenden Tätigkeit nun regelmäßig nachgegangen, kann dies bei manchen Menschen dazu führen, dass sich das Gehirn schnell an den jeweiligen positiven Reiz gewöhnt. Die Ausschüttung der Hormone gerät aus dem Gleichgewicht und die entsprechenden Hormone werden im Zuge der weiteren Gewöhnung immer weniger produziert – die Stimmung geht in den Keller, sobald mit dem Konsum oder der Aktivität aufgehört wird. Dies wiederum verstärkt das Bedürfnis nach dem abhängig machenden Suchtmittel oder der abhängig machenden Tätigkeit. Ein Teufelskreislauf, aus dem es zunehmend schwerer wird, auszusteigen. Beschönigung, Verleugnung und Bagatellisierung sind häufig Bestandteil von Suchterkrankungen.

Auslöser für eine Suchterkrankung können Lebenskrisen wie z. B. der Verlust eines Menschen, Verlust des Arbeitsplatzes aber auch Arbeitsstress oder starke Einsamkeit, oder eine bereits bestehende psychische oder körperliche Erkrankung sein. Manchmal jedoch entstehen Süchte auch aus einer Gelegenheit (z. B. Heroin), wenn z. B. jemand einer Person ein Suchtmittel anbietet oder aufdrängt (auch im Rahmen des Gruppenzwangs).

Wie viele Menschen in Deutschland sind von einer Suchterkrankung betroffen und wen betrifft es?

Als süchtig, bzw. abhängig, gilt jemand, der den Konsum (z. B. von Zigaretten, Alkohol, Medikamenten, sonstigen Drogen) bzw. ein Verhalten (Glücksspielen, Kaufen etc.) nicht beenden kann, ohne dass unangenehme Zustände körperlicher oder psychischer Art auftreten, oder wer nicht mit dem jeweiligen Konsum aufhören kann, obwohl er sich oder anderen (körperlichen, psychischen oder sozialen) Schaden zufügt. Nach aktuellen Schätzungen gibt es knapp 19,2 Millionen Menschen in Deutschland, die in irgendeiner Form abhängig sind. Grundsätzlich kann jeder Mensch eine Suchterkrankung entwickeln. Man geht heute davon aus, dass etwa 50 bis 60 Prozent der Suchtneigung veranlagt ist. Jedoch spricht man hierbei nicht nur von der genetischen, sondern auch von einer epigenetischen Veranlagung.

Wie wird eine Suchterkrankung behandelt?

Bei einer stoffgebundenen Abhängigkeit hilft in aller Regel nur die vollständige Abstinenz. Ist die Suchterkrankung noch nicht fortgeschritten und betrifft nicht die „harten“ Drogen, kann manchmal schon die eigene Einsicht reichen, um selbständig davon wegzukommen. Hierbei kann eine Selbsthilfegruppe sehr hilfreich sein.

Bei schweren Suchterkrankungen mit entsprechenden Folgeschäden (körperlich, finanziell oder sozial) ist ein stationärer Aufenthalt meist unumgänglich. Nur im Rahmen eines Entzugs und geeigneter, therapeutischer Maßnahmen, lässt sich so häufig ein Ende der Suchterkrankung herbeiführen.

Ein nicht unerheblicher Teil derer, die einen Entzug hinter sich haben, erleidet einen Rückfall – manchmal auch wiederholt. Eine entsprechende Nachsorge kann jedoch das Risiko deutlich senken. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Betroffenen auch nach einem stationären Aufenthalt ambulant weiterbegleitet werden. Auch hier kann eine Selbsthilfegruppe zusätzlich hilfreich sein.

Entscheidend zu wissen ist: Hat jemand eine Sucht überwunden, bleibt er sein Leben lang anfällig für das abhängig machende Mittel / die abhängig machende Tätigkeit. Es gibt ein sogenanntes „Suchtgedächtnis“, was bei erneutem Kontakt mit dem Mittel / der Tätigkeit zu einem Rückfall führen kann. Deshalb ist es entscheidend, die Abstinenz, wenn irgend möglich, den Rest seines Lebens beizubehalten.

Doppeldiagnose
Was versteht man unter einer Doppeldiagnose?

Bei Menschen, die unter einer psychischen Erkrankung leiden, gesellt sich häufig auch noch eine Abhängigkeit oder Sucht hinzu. Bei Personen, die beispielsweise von einer Psychose betroffen sind, entwickeln fast 50 Prozent im Laufe ihres Lebens eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit. Aber auch umgekehrt betrifft über die Hälfte aller Menschen mit einer Suchterkrankung meist auch zusätzlich eine psychische Erkrankung (z. B. Depression, Angststörung, Schizophrenie).

Wie wird eine Suchterkrankung im Rahmen einer Doppeldiagnose behandelt?

Da beide Erkrankungen (die psychische Grunderkrankung und die Suchterkrankung) in der Regel eng miteinander verwoben sind, kann die Verschlechterung der einen Störung Auswirkungen auf die andere haben. Deshalb benötigen von einer Doppeldiagnose Betroffene ein Behandlungs- und Therapiekonzept, welches speziell auf sie abgestimmt ist. Hierzu zählen u. a. eine medikamentöse Behandlung, Psychotherapie, spezielle Informationsgruppen oder Entspannungstraining. Da die Suchtbehandlung und die Behandlung einer psychischen Erkrankung traditionell noch häufig in unterschiedlichen Institutionen durchgeführt werden, drohen Betroffene „durch das Netz zu fallen“, da jede Seite erst einmal ein Eingreifen von der anderen Seite fordert. So weigern sich manche Psychotherapeuten, einen alkoholabhängigen Betroffenen zu therapieren, falls er nicht „trocken“ ist. Deshalb werden zunehmend spezielle Doppeldiagnose-Stationen in den psychiatrischen Kliniken eingerichtet.

Hilfreiche und weiterführende Links:

Blaues Kreuz – Wege aus der Sucht
Neurologen und Psychiater im Netz
Elternberatung bei Suchtgefährdung und Abhängigkeit von Kindern und Jugendlichen
Fachverband Sucht e. V.
Fachverband Sucht e. V. – Wohin können sich Betroffene und Angehörige wenden?
Medizininfo
Bundesverband der Elternkreise suchtgefährdeter und suchtkranker Söhne und Töchter e. V. (BVEK)